Vorsätzlich! Gedanken von Antonia Pohler
Nur ein guter Vor-Satz für dieses Jahr – Gedanken zur Jahreslosung
Haben Sie welche? Gute Vorsätze meine ich. Also von der Art, dass sich aus den Vorsätzen dann Gewohnheiten entwickeln. Und nicht solche, die nach drei Tagen schon wieder über Bord geworfen werden?
Ich selbst tue mich sehr schwer damit, mir für das neue Jahr Dinge zu überlegen, die ich gerne ändern wollte. Und das natürlich nicht, weil es nichts zu ändern gäbe. Natürlich könnte ich mir vornehmen, gelassener zu sein und im Streit nicht gleich laut zu werden. Oder ich würde planen, regelmäßig Sport zu treiben, um den Babyspeck nach der Geburt meiner Tochter zu verlieren. Oder oder oder. Aber ich führe mich schon seit langem nicht mehr hinters Licht. Ich weiß nämlich, dass die Vorsätze, die ich mir für Neujahr überlege, sowieso nach wenigen Tagen in Vergessenheit geraten. Neue Gewohnheiten einzuüben, das ist zu Beginn eines neuen Jahres genauso schwierig, wie am 23. Mai oder am 14. September.
Mein guter Vorsatz für das neue Jahr ist ein anderer. Es ist ein Vor-Satz, den nicht ich ausgesprochen habe, sondern der mir zugesprochen wird: Die Jahreslosung. Viele von Ihnen werden sie auf Postkarten lesen oder auf der Rückseite eines Lesezeichens oder Taschenkalenders, die Sie im Gottesdienst zu Beginn des Jahres vielleicht geschenkt bekommen. Dann können Sie den Vers präsent positionieren: Im Portemonnaie gleich neben der Kreditkarte oder im Lieblingsbuch, in dem Sie abends vor dem Schlafengehen noch einige Seiten lesen. Oder die Jahreslosung begegnet Ihnen in einem Schaukasten vor den vielen Kirchen in unserem Dekanat, kunstvoll gestaltet und zur Interpretation einladend.
Sie ist ein einfacher, kurzer Satz. Unmissverständlich.
Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen. (Joh 6,37)
Wer zu ihm kommt, den stößt Gott nicht hinaus.
Mit offenen Armen empfängt er diejenigen, die sich an ihn wenden. Vermutlich ist Ihnen das Gleichnis vom verlorenen Sohn bekannt, in dem der Vater zuerst lange hoffnungsvoll wartet um dann seinen Sohn, der sich von ihm abgewandt hatte, in die Arme zu schließen. Ohne Vorhaltungen, ohne die Frage nach dem Warum, aber dafür mit übergroßer Freude über den, der gekommen war!
Wer zu ihm kommt, den stößt Gott nicht hinaus.
Auch den Personen, die Schuld auf sich geladen haben oder die sich schämen, sagt Gott durch die Jahreslosung: Ich weiß, dass kein Heiliger ohne Vergangenheit ist. Aber ich verheiße euch, dass kein Sünder ohne Zukunft ist. Jeder darf kommen, wie er ist – aber niemand muss so bleiben, wie er war. Gerade ihnen, die meinen, versagt zu haben, die sich nicht mehr gebraucht fühlen, gibt Gott einen Auftrag: Gebt weiter, wie es sich anfühlt, sich in meiner Nähe verändern zu dürfen!
Wer zu ihm kommt, den stößt Gott nicht hinaus.
Nicht einmal diejenige, die zweifelt, ob sie auf diese Zusage wirklich vertrauen soll, oder ob das mit dem Glauben nicht einfach Humbug und Hokuspokus ist, damit sich Menschen ein klein wenig besser fühlten, weist Gott zurück. Selbst wenn die Schritte zaghaft sind, mit denen ein Mensch den Weg beschreitet: an seinem Ende empfängt Gott auch diese Person und ist ihr nahe. Er pflegt auch die zartesten Glaubenspflänzchen und bringt zum Blühen, was andere schon auf dem Kompost entsorgt hätten.
Wer zu ihm kommt, den stößt Gott nicht hinaus.
Das gilt sogar für die Menschen, die sich klein und unbedeutend fühlen, die nichts vorzuweisen haben und sich nicht vorstellen können, dass Gott sich über sie freuen könnte. Denjenigen, die ihren eigenen Wert unterschätzen, gibt Gott durch seine offenen Arme etwas mehr Haltung. Sie werden aufgerichtet und erstrahlen in neuer Größe.
Die Jahreslosung 2022 ist ein guter Vor-Satz. Wenn sich zum Jahreswechsel in meinem Bauch die positiven Gefühle, die Lust aufs Neue und der Dank für die geschenkte Zeit mit der Angst vor dem, was passieren kann, vor dem Älterwerden, Scheitern, vor Krankheit und Tod mischen, dann verheißt mir dieser kurze Satz aus dem Johannesevangelium Gottes offene Arme, seine Nähe und die Gewissheit, angenommen zu sein.
Das ist auch mein Neujahrswunsch für Sie: Nicht nur „A g’sunds Neis!“, sondern dass Sie im anbrechenden Jahr spüren, dass Sie von Christus angenommen und gehalten sind, egal in welcher Situation Sie sich gerade befinden.
Ihre Pfarrerin Antonia Pohler (Kalbensteinberg und Fünfbronn)