Kommt da noch was?
Es gibt kirchliche Gedenktage, die aus sich allein heraus nicht verständlich sind. So ist es zum Beispiel mit dem Karfreitag. Jesus stirbt am Kreuz. „Schade“, dachten viele, die mit der von Jesus angestoßenen Bewegung sympathisiert hatten, „mit dem Mann aus Galiläa hätte sich Vieles in unserem Land verändern können!“ „Eine Katastrophe“, dachten die Jünger Jesu, gut versteckt hinter verschlossenen Türen, „ohne Jesus ist alles aus! Unsere Hoffnung ist gestorben, und wie es weitergehen soll, weiß jetzt niemand.“ Aber dann kam Ostern. Jesus steht aus dem Tod auf. Sein Tod am Kreuz war keine Niederlage sondern der Sieg über den Tod. Die Hoffnung hat überlebt. Jesus hat nicht nur mit schönen Worten gesagt, dass er gekommen ist, um Verlorene selig zu machen. Er hat das mit seinem Leiden und Sterben für uns besiegelt; und sein Vater im Himmel hat das in der Auferweckung an Ostern beglaubigt. Auch Christi Himmelfahrt ist ein Fest, das aus sich selbst heraus nicht verständlich ist. Jesus verlässt seine Jünger. Er geht zu seinem Vater im Himmel. Wir können seine Herrlichkeit und Allmacht nicht sehen. Doch auch hier gibt es ein „aber“: Jesus Christus wird wiederkommen in diese, unsere ramponierte Welt, und er wird ihre Geschichte genauso wie seine Heilsgeschichte zum Ziel bringen. Während wir Karfreitag aber von Ostern her verstehen können, geht das mit Christi Himmelfahrt nicht so einfach. Die Wiederkunft Jesu steht noch aus. Wir leben in einer Welt, wo wir mit dem Zählen der großen Probleme gar nicht mehr hinterherkommen. Von Jesus ist im öffentlichen Raum kaum etwas zu spüren. Und man hat den Eindruck, dass auch in den Kirchen die verborgene Gegenwart Jesu durch den Heiligen Geist an Kraft verliert.
Lohnt es sich noch, das Fest Christi Himmelfahrt zu feiern?
Irgendwie ist der Himmel immer noch der große Sehnsuchtsort der Menschen. Alle Konflikte und Schwierigkeiten und negativen Prognosen einfach hinter sich lassen zu können und einzutauchen in eine „heile Welt“ – das wär’s doch! Aber in unserer Corona-geplagten Zeit gibt es ja sogar mit der kleinen Schwester des Himmels, mit dem Traumurlaub, gewaltige Probleme. Wo gibt es Freiheit? Wo gibt es Frieden? Wo endet die Einsamkeit? Wo finden wir Vergebung und Hilfe und den echten Sinn unseres Lebens? Wäre es nicht besser gewesen, Jesus hätte seine Jüngergemeinde gleich mit in den Himmel genommen?
Doch das hat er absichtlich nicht getan. Denn vorher sollte noch die Zeit der Gemeinde kommen. Die Zeit der Verkündigung des Evangeliums. Die Zeit für den Glauben an einen verborgenen Gott, der durch sein Wort der Heiligen Schrift wirkt, hilft, heilt und Menschen in sein Reich sammelt.
Im Lauf der Menschheitsgeschichte ist die Forderung nach wissenschaftlichen Beweisen immer stärker geworden. Was uns einleuchtet, das glauben wir gerne; auch wenn es nach kurzer Zeit oder ein paar Generationen später widerlegt wird. Der Glaube an den in die Herrlichkeit erhöhten Herrn Jesus Christus ist nicht vom Stand der jeweiligen Erkenntnis bedroht. Denn er handelt nicht mit Wahrscheinlichkeiten und kann nicht durch neue Forschungen überholt werden. Der Himmelfahrts-Glaube gründet sich auf die Offenbarung in Gottes Wort der Heiligen Schrift und zeigt sich in der täglichen Gemeinschaft mit unserem Herrn Jesus Christus in Gebet und Bibellese, in Gottesdienst und Nachfolge des Herrn, dem alle Macht übergeben ist. Martin Luther hat in Anlehnung an den biblischen Bericht der Himmelfahrt Jesu im 1.Kapitel der Apostelgeschichte des Lukas gesagt: „Was gaffst du gen Himmel? Der Herr Christus steht vor der Tür!“
Nur von der Wiederkunft Jesu her wird Christi Himmelfahrt verständlich und sinnvoll. Wir stehen mit unseren Nöten nicht alleine. Wir dürfen mit dem reden, der allmächtig ist. Er ist nicht nur der Schöpfer von Himmel und Erde. Er erhält sein Werk auch zu seinem Zweck und Ziel. Statt uns von Zukunftsängsten lähmen zu lassen, haben wir heute Aufgaben, die wir nach seinem Willen gut lösen können. Jede und jeder begegnet anderen, die nach einem guten Wort hungrig sind; oder Hilfe nötig haben; oder einfach wieder diese Perspektive brauchen, dass Jesus nicht in die Herrlichkeit und Allmacht seines Vaters aufgefahren ist, um es sich gut gehen zu lassen, sondern um uns in der Zeit des Glaubens mit seinen unbegrenzten Möglichkeiten beizustehen und uns auf seine Wiederkunft vorzubereiten.
Christi Himmelfahrt – dieses Fest ist eine große Chance. Denn hier geht es nicht nur um ein gut gemeintes „Kopf hoch!“, sondern um die Einladung, auf den ewigen Gott zu schauen, ohne den wir in unseren aufgehäuften Schwierigkeiten ersticken würden, aber mit dem wir im Frieden und großer Zuversicht leben können, weil er uns heute begleitet und irgendwann einmal aus seiner Verborgenheit heraustreten wird und für alle Menschen sichtbar auf unsere Erde wiederkommen wird.
Das Fest der Himmelfahrt des Herrn Jesus Christus ist ein Zukunfts-Fest.
Wir feiern es heute schon, weil wir Zukunft haben; weil wir durch das Wort des gekreuzigten, auferstandenen und erhöhten Herrn getrost leben und wirken können; und weil wir uns auf seine Wiederkunft freuen. Denn dann nimmt er uns mit: in den Himmel.
Manfred Schmitt, Pfarrer in Unterasbach-Frickenfelden und Oberasbach-Obenbrunn