Danke! – Gedanken zu Erntedank von Pfarrerin Anja Sievert

von | Sep 27, 2023

Die Schulglocke läutete. Hastig rannten die Kinder aus dem Schulgebäude hinaus auf den Pausenhof. Da ist es auch schon passiert: Eine Schülerin ist gestolpert und ihre Brotdose flog auf den Pausenhof. Die Kekse, die darin waren, lagen im Dreck.

Mit ihren kleinen Fingern umkrallte sie die Kekse und fing an, sie wieder einzusammeln. Ich half ihr und sagte: „Die Kekse sind dreckig. Die kannst du so nicht essen.“ Da fing sie an zu weinen. Ich sah, dass in der Brotdose sonst nur noch ein Stück Apfel war. Dann haben wir gemeinsam die Kekse eingesammelt, abgeputzt und wieder in die Dose hineingetan. Da war sie wieder glücklich.

Das Kind war hungrig. Normalerweise liegen bei uns auf dem Pausenhof nach der Pause einige Brotdosen mit Inhalt herum, außerdem Brötchen auf dem Boden, aus denen die Wurstscheibe herausquillt. Die Kinder vergessen ihre Dosen und Trinkflaschen, vereinzelt liegen Essensreste auf den Tischen. Nie hatte ich während einer Pausenaufsicht den Eindruck, dass hier jemand hungrig war. Aber dieses Kind, das seine Kekse aus dem Dreck gesammelt hat, das war hungrig. Mindestens nach den Keksen.

Essen.

In diesem Jahr mussten wir wirklich um die Ernte bangen. Wir haben gemerkt, wie abhängig wir vom Wetter sind. Zuviel Sonne und zu viel Regen hier, zu wenig Regen dort. Die Ernte, sie ist unberechenbarer geworden. Lebensmittel, gute Lebensmittel, sind als Mittel zum Leben nicht selbstverständlich. Auch mit unserem Wasser können wir nicht mehr sorglos umgehen.

Und wenn wir uns in der Welt umschauen, dann sehen wir, dass Lebensmittel genug vorhanden wären, aber nicht immer bei denen ankommen, die sie brauchen. Nahrungsmittel werden eingesetzt als Druckmittel im Krieg um Land, Geld und Macht, wie in der Antike und im finstersten Mittelalter, wie schon immer.

Der Mensch muss auch heute noch daran erinnert werden, dass ihm die Erde und ihre Güter geschenkt werden und dass er von Gott einen Auftrag bekommen hat: Die Erde zu bebauen und zu bewahren – nicht, sie und das Leben darauf zu zerstören.

Wir erinnern uns. Auch dieses Jahr werden wir wieder unsere Altäre schmücken und „Danke“ sagen: Danke für Kartoffeln und Getreide, Danke für Tomaten, Äpfel Pflaumen, Danke für die Blumen. Danke, dass wir auch in diesem Jahr wieder mit unseren Gaben die Altäre schmücken und Vieles weitergeben können.

Und ich wünsche Ihnen, dass sie trotz aller Sorgen um die Preise für die Lebensmittel und um die gerechte Entlohnung der Arbeit die Früchte Ihrer Arbeit genießen können.

Der Prediger Salomo hat es damals schon gesagt:

„Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben.

Denn der Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.“ ( Pred. 3,12.13 )

Es war wieder Pause.

Das Mädchen mit den Keksen hatte diesmal keine Kekse dabei. Stolz zeigte sie mir in ihrer Brotdose kunstvoll gemachte, gefüllte Datteln.

Sie gab mir eine: „Da.“

Es schmeckte wunderbar. „Danke!“

Pfarrerin Anja Sievert

Bild: Erntedankaltar Hirschlach 2017, aufgenommen von Heinrich Förthner

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