Ostern 2025
Mysterion Ostern
Als er die Stufen zur Stadtkirche Gunzenhausen hinaufstieg, erwartete er das Vertraute: die alte Holztür, den Kerzenschein, den Geruch nach alten Steinen. Diese Kirche kannte er seit seiner Kindheit. Hier wurde er getauft, hier heiratete er Margarete, hier ließen sie ihre Kinder taufen.
Doch im Eingangsbereich spürte er: Heute würde alles anders sein.
„Sind wir richtig?“, flüsterte Margarete, als sie eintraten. Er nickte stumm. Es war Ostersonntag, ein Abendmahlsgottesdienst – und doch schienen sie eine fremde Welt zu betreten.
Die Stadtkirche hatte sich verwandelt. Kunstvolle Lichtinstallationen tauchten den Raum in wechselnde Farben. An den alten Wänden tanzten Projektionen in moderner Interpretation. Der Altar war in bläulichen Schein und Nebel gehüllt.
Dann erklangen elektronische Beats – zunächst zurückhaltend zwischen den Kirchenmauern. „Das gehört nicht hierher“, dachte er. Doch als der rhythmische Puls mit den alten Worten der Liturgie verschmolz, geschah etwas Unerwartetes: Der Takt wurde zum Herzschlag des Raumes. Sein Körper trat in eine Resonanz, die er nie für möglich gehalten hätte.
Beim Abendmahl folgte der nächste Bruch: Laugengebäck und alkoholfreier Sekt. Das salzige Gebäck auf seiner Zunge war so anders als die gewohnte fade Hostie – es erinnerte an Alltag, an geteilte Mahlzeiten, an Leben. Der perlende Sekt, alkoholfrei, doch voller Frische – ein Neuanfang.
„Nimm vom Brot des Lebens“, sagte jemand neben ihm, während über ihnen Lichtflächen in warmem Rot pulsierten. Das salzige Brot und der Sekt in seinem Mund wurden zu einer Erfahrung, die über bloßes Schmecken hinausging. Er begriff plötzlich, was Gemeinschaft, Versöhnung und Gegenwart wirklich bedeuten.
Als die Musik ihren Höhepunkt erreichte und die Lichter in einem Crescendo den Raum erfüllten, durchfuhr ihn eine Erkenntnis: Die Form ändert sich, aber die Essenz bleibt. Das Geheimnis des Glaubens liegt nicht in der Wiederholung des Immergleichen, sondern in der lebendigen Begegnung .
„Ich dachte immer, Tradition bedeutet, die Asche zu bewahren“, sagte er später zu seiner Frau. „Heute habe ich verstanden, dass es darum geht, die Flamme am Leben zu erhalten.“
Manchmal müssen wir gewohnte Pfade verlassen, um zu entdecken, dass Glaube kein Museum ist, sondern ein lebendiger Strom, der neue Ufer findet. In dieser Osternacht lernte er, dass das Geheimnis des Glaubens nicht an bestimmte Formen gebunden ist, sondern sich immer neu offenbart – in pulsierenden Beats, in salzigem Brot, in funkelndem Sekt und vor allem: in offenen Herzen.
Wenn Sie diese Erfahrung auch teilen möchten, kommen Sie am Sonntag um 20:30 Uhr in die Stadtkirche Gunzenhausen. Erleben Sie das Mysterion von Ostern.
Ihr Pfarrer Benedikt Wolff, Gunzenhausen