Gott – ein liebendes Elternteil am Zeugnistag
Reinhard May besingt in seinem Lied „Zeugnistag“, wie er einmal in seiner Schullaufbahn zum totalen Versager wird. Sein miserables Zeugnis macht ihm schwarz auf weiß klar, dass er das Klassenziel unmöglich erreicht. Als so ein Versager meint er, nicht vor seine Eltern treten zu können. Also fälscht er die Unterschrift seines Vaters und seiner Mutter auf dem Zeugnis. Der Schuldirektor erkennt die Fälschung und bestellt die Eltern mit ihrem Sohn ein. Er hält ihnen vor Augen, welch miserablen Charakter ihr Sprössling hat. Vater und Mutter aber halten zu ihrem Sohn und behaupten, ihre Unterschriften seien echt. Reinhard May bezeugt in seinem Lied weiter, wie ihm dieser Liebesbeweis seiner Eltern nun durch seine ganze Schullaufbahn getragen hat.
Für mich ist dieser Song wie ein Gleichnis für Gottes Handeln an uns Menschen als Sünder. Er erklärt uns für gerecht, obwohl wir immer wieder versagen und fehlerhaft bleiben.
Das bekannteste Gleichnis Jesu ist wohl das vom verlorenen Sohn. Nicht der ältere Bruder, der brav bei seinem Vater bleibt und ihm dient, bildet den Mittelpunkt der Erzählung. Der jüngere Sohn, der sich ausprobieren will, das Zuhause verlässt und ein wildes Leben führt, an dem erläutert Jesus das Evangelium. Der Vater freut sich, dass dieser Sohn zurückkehrt, und nimmt ihn herzlich auf. Der ältere Bruder versteht das nicht, ist frustriert und bockt mit seinem Vater.
Hier stehen sich verschiedene Verständnisse von Glauben gegenüber: Brav den Weisungen des Vaters/Gottes folgen oder auf seine Barmherzigkeit vertrauen. Das Evangelium verkündigt doch, dass Gottes Liebe seine Forderungen weit übersteigt. Diese Liebe hat sich in der Menschwerdung Christi im Stall von Bethlehem, in seiner Botschaft, in seinem Umgang mit Menschen und besonders mit seinem Tod am Kreuz erwiesen.
Deshalb kann es Paulus so auf den Punkt bringen: „Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus werden wir gerecht und nicht durch die Werke des Gesetzes.“ (Gal 2,16 leicht gekürzt)
Paulus hat theologisch formuliert, was das ganze Neue Testament verkündigt. Es gibt uns ein Gefühl, von Gott bejaht zu sein und getragen zu werden auch durch alle Tiefen des Lebens, so wie es Reinhardt May durch den Liebesbeweis seiner Eltern für seine Schullaufbahn erfahren hat.
Der Liedermacher wünscht zum Schluss seines Songs allen Kindern dieser Welt solche Eltern, wie er sie beschrieben hat. Ich wünsche allen Menschen solche Erfahrungen mit Gott, wie es die Evangelien bezeugen.
Pfr. i. R. Christian Grimm, Laubenzedel
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